Let’s Make A Deal – Vom Handel zur Hegemonie

Monatsbericht Mai 2025

Mit neuen Zöllen und dem ausgerufenen „Liberation Day“ setzt Washington auf Konfrontation statt Kooperation. Das globale Handelssystem gerät unter Druck – und die Märkte liefern einen Vorgeschmack auf eine neue, unsichere Ordnung.

Datum
05. Mai 2025
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Spätestens seit dem von Präsident Trump am 2. April proklamierten „Liberation Day“ steht die neue amerikanische Zoll- und Handelspolitik im Fokus der internationalen Finanzmärkte. Im Zentrum steht eine Rückkehr zu bilateralen Verhandlungen, begleitet von Zollankündigungen gegenüber wichtigen Handelspartnern – und den entsprechenden Gegenreaktionen.

In der unmittelbaren Folge kam es zu deutlichen Kapitalabflüssen aus US-Finanzwerten und globalen Risikoanlagen. Zu den Profiteuren zählten klassische Zufluchtsorte: Gold, deutsche Bundesanleihen, der Schweizer Franken, der japanische Yen – und überraschend auch der Euro. Der S&P 500 verlor zwischen dem 2. und 8. April über 12% und lag seit dem Allzeithoch vom 19. Februar zeitweise rund 19% im Minus. Ein 90-tägiger Verzicht auf Strafzölle sorgte ab dem 9. April für eine ebenso kräftige Gegenbewegung.

Der VIX-Volatilitätsindex stieg in dieser Phase auf über 50, nachdem er Ende März noch unter 20 notierte. Moderatere Töne von US-Finanzminister Bessent und die Zollpause führten zu einer teilweisen Rückkehr der Risikofreude.

Per 2. Mai lag der S&P 500 im laufenden Jahr noch rund 3.3% im Minus, der Nasdaq Composite verlor 6.9%. Besonders stark unter Druck standen die „Glorreichen Sieben“ mit einem Rückgang von 11.7% (gemessen am Roundhill Magnificent Seven ETF). Besser entwickelten sich die Märkte in Europa: Der STOXX 600 verbuchte seit Jahresbeginn ein Plus von 5.7%, der Swiss Leader Index stieg um 3.7%. In Asien gaben Nikkei 225 (-7.7%) und Shanghai Composite (-2.2%) nach.

Die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen lagen zuletzt bei 4.30%, nach 4.57% zum Jahresende 2024. Zwischenzeitlich stiegen sie infolge handelspolitischer Ankündigungen nochmals auf fast 4.50%. Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen kletterten im März bis auf 2.90%, bevor sie bis Anfang Mai auf 2.52% zurückfielen.

Gold verzeichnete eine starke Entwicklung: +23% seit Jahresbeginn, mit einem neuen Allzeithoch nahe $3‘500 je Unze am 21. April. Der Dollar-Index DXY, der die Wertentwicklung gegenüber sechs Hauptwährungen misst, verlor seit Jahresbeginn 7.8%. Der Greenback verlor 8.9% gegenüber dem Franken, 9.1% zum Euro und 7.8% zum Yen.

 

Marktsaisonalität im Mai: Rückenwind für den Dollar

Statistisch gesehen zählt der Mai zu den stärksten Monaten für den US-Dollar. EUR/USD und AUD/USD tendieren zur Schwäche, während Rohstoffe wie Öl und Kupfer oft Unterstützung erhalten. Aktienmärkte zeigen typischerweise eine starke erste und eine schwächere zweite Hälfte, was zu einem eher durchzogenen Monat führt.

Nach vier Monaten Dollar-Schwäche könnte also eine technische Erholung bevorstehen, bevor die saisonal schwächeren Monate Juni und Juli folgen.

 

„Man kann die Fischsuppe nicht zurück ins Aquarium schütten“

Mit dieser Metapher beschrieb der frühere polnische Präsident Lech Wałęsa einst die Irreversibilität fundamentaler Umbrüche. Ähnliches lässt sich heute über das globale Handelssystem sagen: Auch wenn die jüngst angekündigten Zölle letztlich nur in Teilen umgesetzt werden dürften, schafft die erratische Handelspolitik aus Washington eine strategische Unsicherheit – und untergräbt damit nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern auch die „Soft Power“ der Vereinigten Staaten.

Für die kommenden Monate zeichnet sich ein globales Stagflationsszenario ab: Zwar könnten die Inflationsraten im April nochmals leicht zurückgehen, doch Zollaufschläge und Basiseffekte dürften bald zu einem erneuten Anstieg führen. Gleichzeitig verliert das Wachstum an Dynamik. Die Rezessionswahrscheinlichkeit für die USA im Jahr 2025 liegt laut Kalshi derzeit bei 64% (www.kalshi.com; Stand: 2. Mai 2025).

 

Vorsichtiger Optimismus mit regionalem Fokus

Die jüngste Aktienrally dürfte an Schwung verlieren. Überraschungspotenzial sehen wir in Lateinamerika. Hohe Leitzinsen – etwa in Brasilien mit über 14% – schafft geldpolitischen Spielraum für Zinssenkungen. Zugleich zeigen sich Wachstumsindikatoren stabil, und die Handelsbeziehungen sind zwischen China, USA und Europa gut diversifiziert. Auch betont die neue US-Administration immer wieder die geostrategische Bedeutung der Region.

Bei Anleihen bevorzugen wir mittlere Laufzeiten (3-7 Jahre). Angesichts konjunktureller Schwäche ist mit steigenden Kreditaufschlägen zu rechnen. Investment-Grade-Anleihen sind daher Hochzinsanleihen vorzuziehen. Als Beimischung könnten Schwellenländeranleihen in Hartwährung interessant sein. Eine kleine Allokation in inflationsgeschützte Anleihen bleibt als Schutz vor unerwarteten Teuerungsschüben sinnvoll.

Beim Goldpreis erwarten wir kurzfristig eine Konsolidierung, halten jedoch an unserer strategischen Allokation fest. Die mittel- bis langfristigen Perspektiven bleiben angesichts geopolitischer Spannungen konstruktiv.

Der jüngste Rückgang des US-Dollars dürfte saisonal vorerst gestoppt sein, langfristig aber anhalten.

Trendfolgestrategien (CTAs) litten unter den abrupten Richtungswechseln der vergangenen Monate. Historisch folgt auf solche Durststrecken nicht selten eine Phase überdurchschnittlicher Performance. Wir halten an der Allokation fest und prüfen eine moderate Aufstockung.

Die globale wirtschaftliche Ordnung steht vor tiefgreifenden Verschiebungen. Amerikas neue Handelsstrategie riskiert, aus Verbündeten und Partnern Kunden zu machen. Damit hört es auf zu führen und beginnt zu herrschen – und Herrscher sehen sich früher oder später mit Rebellion konfrontiert. Die Rückkehr zur gewohnten Ordnung erscheint zunehmend unwahrscheinlich.

„Toto, ich glaube, wir sind nicht mehr in Kansas.“
Metro-Goldwyn-Mayer |
The Wizard of Oz (1939)
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