Rück- und Ausblick

Quartalsausblick Q1 2023

Inflation, Wirtschaftswachstum und Zinspolitik der Notenbanken bleiben im 2023 die bestimmenden Einflussgrössen bei der Preisfindung an den Finanzmärkten.

Datum
25. April 2023
Kategorien

Rückblick

Anleihen

Die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen erreichte am 24. Oktober mit 4.25% ihr Jahreshöchst. Zum Jahresende sank die Rendite auf 3.88%. Die Rendite 2-jähriger US-Staatsanleihen stand zum Jahresende bei 4.43%. Die Renditedifferenz zwischen 10- und 2-jährigen Staatsanleihen lag demzufolge bei -0.55%, einer stark inversen Zinskurve.
Der durch die US-Notenbank Fed bestimmte Leitzins lag zum Jahresende bei 4.50%. Der Markt ging von drei weiteren Zinsschritten zu jeweils 0.25% während des 1. Quartals 2023 aus. Die US-Fed selbst sah die sogenannte „Terminal Rate“ in ihrem aktuellen Ausblick bei 5.10%. Die nächsten planmässigen Fed-Sitzungen finden am 1. Februar und am 22. März 2023 statt.

In der Eurozone stieg die Rendite 10-jähriger Deutscher Bunds zum Jahresende auf ein Höchst von 2.57%, von 2.11% per Ende des 3. Quartals. Auch in Deutschland ist die Zinskurve invers, kurzfristige Papiere weisen eine höhere Rendite auf als langfristige. Die Rendite 10-jähriger italienischer Staatsanleihen (BTP) stieg während dem 4. Quartal bis auf 4.90%; zum Jahresende lag die Verzinsung bei 4.69%.
Der Leitzins der EZB lag zum Jahresende bei 2.50%. Die nächsten Sitzungen der EZB finden am 2. Februar und am 16. März 2023 statt.

Im Vereinigten Königreich beruhigte sich die Zinssituation spürbar: zum Jahresende sank der Zins 10-jähriger Gilts auf 3.67%, von 4.10% per 30. September. Der Leitzins der BOE lag bei 3.50%.

Die Bank of Japan erhöhte im Dezember das Zielband für die Rendite 10-jähriger JGBs auf 0.50% von zuvor 0.25% im Rahmen ihrer Politik der Zinskurvenkontrolle.

Im Gegensatz zu einigen anderen Ländern verläuft die Zinskurve in der Schweiz noch einigermassen normal, das heisst länger laufende Staatsanleihen weisen eine höhere Rendite auf als kürzer laufende. Per Ende 2022 lag die Rendite 10-jähriger Eidgenossen auf dem Jahreshöchst bei 1.62%, während 2-jährige Papiere 1.28% und 5-jährige 1.44% rentierten.
Der Leitzins der SNB lag zum Jahresende bei 1.00%. Die nächste planmässige Sitzung der SNB findet am 23. März 2023 statt.

Quelle: Bloomberg

 

Kredite

Die Kreditaufschläge für Hochzinsanleihen (HY) sanken im 4. Quartal. Das führte zu einer besseren Performance von HY-Anleihen im Vergleich zu Investment-Grade (IG) Anleihen. Letztere wurden zudem stärker durch das steigende Zinsumfeld belastet.
Zum Quartalsende resultierte ein Zuwachs von 4.6% für europäische HY-Anleihen und von 0.7% für europäische IG-Anleihen, während US HY- und IG-Anleihen um zirka 3% zulegen konnten.
Dennoch betrug der Jahresverlust für IG- und HY-Anleihen beidseits des Atlantiks zwischen 14% und 21%.

Investment-Grade Anleihen sind die hochwertigsten Anleihen, die von einer Rating Agentur bestimmt werden; Hochzinsanleihen sind spekulativer und haben ein Kreditrating unter Investment-Grade. Die Preise von Hochzinsanleihen bewegen sich oft ähnlich wie die Aktienmärkte, während die Preise von IG-Anleihen stärker durch das generelle Zinsniveau beeinflusst werden.

Globale Wandelanleihen verloren im 4. Quartal 4.3%, während Schwellenländer-Staatsanleihen (in USD) 6.6% zulegen konnten. Zum Jahresende resultierte ein Verlust von 16% für Wandelanleihen resp. ein Rückgang von 22% für Schwellenländer-Anleihen.

Quelle: Bloomberg

 

Aktien

Im 4. Quartal ähnelte sich das Bild in der Schweiz, Europa und den USA: allesamt erreichten die Aktienmärkte anfangs Oktober ihre Quartalstiefststände und legten anschliessend bis Ende November zu. Die zunehmend schärfer werdende Rhetorik der Notenbanken, gefolgt von den tatsächlichen Zinsschritten Mitte Dezember führten danach zu einem erneuten Abgleiten der Aktienkurse. Zum Jahresende resultierte eine Quartalsrendite von 7% bis 10%.
Trotz diesem Anstieg im 4. Quartal betrug der Jahresverlust in der Schweiz (SLI) und in den USA (S&P 500) ungefähr 20% und in Europa (STOXX 600) zirka 13%.
In China legte der Shanghai Composite im 4. Quartal etwas über 2% zu und beendete das Jahr 2022 mit einem Verlust von knapp 15%. Das 4. Quartal im Reich der Mitte war geprägt durch eine radikale Abkehr von der Null-Covid-Politik und einer zunehmenden geldpolitischen Unterstützung der Wirtschaft durch die chinesische Zentralbank.
In Japan beendete der Nikkei 225 das 4. Quartal mit einem Zuwachs von knapp 1% resp. einem Jahresverlust von etwas über 9%.

In den USA lagen im 2022 nach dem Energiesektor die defensiven Sektoren Versorger, Gesundheitswesen und Nicht-Zyklische Konsumgüter vorne. Ein ähnliches Bild zeichnete sich in Europa ab, wobei sich hier zusätzlich Versicherer und Banken unter die Top-Sektoren mischen konnten.

Im Länder-Ranking vorne lagen im Jahr 2022 die Türkei, Indonesien, Portugal, Indien, Brasilien und das Vereinigte Königreich.

Quelle: Bloomberg

 

Rohstoffe und Alternative Anlagen

Im 4. Quartal legte der Silberpreis um 26% zu, während der Goldpreis um 9% anstieg. Der Kupferpreis avancierte 12%. Das Fass Brent-Rohöl kostete zum Quartalsende knapp $86 und beendete das Quartal mit einem leichten Minus von 2%. Der Tiefstkurs lag am 8. Dezember bei $76.60.
Aufs ganze Jahr resultierten folgende Kursänderungen, gemessen in USD: Gold -0.3%, Silber +2.8%, Brent-Rohöl +10.5%, Kupfer -14.4%.

Die Krypto-Währungen verloren im 2022 zwischen 64% (Bitcoin) und 67% (Ethereum) ihres Werts, gemessen in USD.

Quelle: Bloomberg

 

Währungen

Der USD verlor gegenüber dem CHF im 4. Quartal 6.3% und beendete das Jahr 2022 bei CHF 0.9240. Die anderen Hauptwährungen konnten gegenüber dem CHF im 4. Quartal zulegen, am stärksten der JPY mit einem Plus von 3.4%, gefolgt vom EUR mit +2.3% und dem GBP mit +1.5%. Mit Ausnahme des JPY sanken die Schwankungsbreiten am FX-Markt im 4. Quartal, verglichen mit den realisierten Volatilitäten im 2. und 3. Quartal.

Im Jahresverlauf resultierte ein Anstieg des USD/CHF um 1%, von CHF 0.9120 auf CHF 0.9240. Der EUR verlor 5% gegenüber CHF, von 1.0370 auf 0.9890 und das GBP sank um 9%, von 1.2340 auf 1.1180. Der JPY verlor gegenüber CHF etwas über 11%.

Alternativtext

Quelle: Bloomberg

Ausblick

Inflation, Wirtschaftswachstum und Zinspolitik der Notenbanken bleiben im 2023 die bestimmenden Einflussgrössen bei der Preisfindung an den Finanzmärkten.
Zwar hat sich die Inflationsrate in den USA von 9.1% im Juni auf 7.1% im November 2022 zurückgebildet, liegt damit aber immer noch weit über dem Inflationsziel von 2%. Die Kerninflation verharrte bereits seit Januar um die Marke von 6%. Zudem hat sich mittlerweile die Inflation vom Güter- auch auf den Servicesektor ausgeweitet. Hier wird die grosse Bedeutung der Kommunikation durch die Notenbanken zum Tragen kommen: wird es gelingen, die Inflationserwartungen einzudämmen? Drei säkulare Trends sind im Gange, die eine Rückkehr der Inflationsraten auf 2% erschweren werden. Billige Arbeitskräfte, billige Güter (aus China) und billige Energie (aus Russland) sind grösstenteils Dinge der Vergangenheit….
Wir gehen davon aus, dass sich die Inflationsraten im ersten Halbjahr 2023 in einem Bereich von 5% bis 6% einpendeln werden, die Geldpolitik deshalb länger als erwartet restriktiv bleiben wird.
Daran dürfte auch eine Abkühlung der Konjunktur – von der wir im ersten Halbjahr 2023 ausgehen – nichts ändern. In der Folge gehen wir von einem Disinflationsszenario aus (siehe Abbildung unten).
Wahrlich kein guter Mix für Aktienkurse, die dadurch von zwei Seiten gleichzeitig unter Druck geraten werden: höhere Zinsen gepaart mit tieferen Unternehmensgewinnen.

Quelle: forexlive.com

 

Anleihen

Während die Renditen kurzfristiger Anleihen stark von der Geldpolitik beeinflusst werden, reflektieren die Renditen langfristiger Anleihen die Markterwartungen bezüglich Wachstum und Inflation. Eine Inversion der Zinskurve – langfristige Renditen liegen tiefer als kurzfristige – wie derzeit in vielen Ländern beobachtet, signalisiert mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Rezession in naher Zukunft.
Aufgrund des erwarteten konjunkturellen Abschwungs sind wir für erstklassige langfristige Staatsanleihen positiv eingestellt.
Zudem dürften sich die Korrelationen von Anleihen und Aktien im neuen Jahr wieder in den gewohnten Bahnen bewegen, was aus Gründen der Portfoliodiversifikation hoch erwünscht ist. Das heisst: steigende Anleihekurse, sinkende Aktienkurse et vice versa.

 

Kredite

Der kommende Konjunkturabschwung im ersten Halbjahr 2023 dürfte zu vermehrten Kreditausfällen führen. Wir bevorzugen deshalb Investment-Grade gegenüber Hochzinsanleihen und bleiben auch bei Anleihen aus Schwellenländern, u.a. auch aufgrund eines erwarteten Anstiegs des Dollars, sehr vorsichtig.
Desweitern achten wir darauf, nur in liquide Anleihen und ETFs zu investieren und meiden komplexe illiquide Strukturen. Hier erwarten wir vermehrt, dass Rücknahmewünsche der Investoren nicht mehr erfüllt werden.

 

Aktien

Aufgrund des erwarteten Disinflationsszenarios bevorzugen wir defensive Sektoren wie Nicht-Zyklische Konsumgüter, Gesundheitswesen und Versorger. Die Aktienmärkte haben zwar ein schlechtes Börsenjahr hinter sich. Trotzdem scheint die Stimmung nach wie vor alles andere als pessimistisch zu sein, wie die folgende Tabelle zeigt. Einzig drei Analysten sehen zum Jahresende 2023 einen tieferen Stand des S&P 500 als heute (aktuell 3‘824).

Quelle: investing.com

Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Monaten Lagerbestände abgebaut werden, mithin ein wichtiger Grund des erwarteten konjunkturellen Abschwungs. Im Zuge der Pandemie und der gestörten Lieferketten wurden nämlich vielenorts die Lager allzu stark gefüllt, um Abhängigkeiten von Lieferanten abzufedern.

Positiv überraschen könnte China. Zwar ist die erste Euphorie nach der Aufhebung der Null-Covid-Politik der Ernüchterung gewichen, da die Anzahl Krankheitsfälle stark durch die Decke geschossen ist. Nach ein paar Monaten dürfte aber die „Durchseuchung“ abgeschlossen sein und die Wirtschaft dürfte wieder ihren gewohnten Rhythmus aufnehmen können. Hinzu kommt die Unterstützung der Regierung mit einer lockeren Geld- und Fiskalpolitik im Gegensatz zu den meisten westlichen Ländern.

 

Rohstoffe

Die Erdölpreise waren zum Jahresende nur leicht tiefer im Vergleich zum Ende des 3. Quartals, da die Notierungen in den letzten Dezemberwochen wieder stark anzogen. Wir gehen aufgrund des globalen Abschwungs in den nächsten Monaten von sinkenden Kursen aus. Zudem sind im Futures-Markt die Net Long-Positionen in den letzten Wochen angestiegen, und der Kurs bewegt sich bereits am oberen Ende des Handelsbands, was tendenziell eher auf sinkende Kurse deutet.
Der Kupferpreis dürfte sich im ersten Quartal seitwärts, allenfalls leicht nach oben bewegen. Es sind derzeit keine starken Signale auszumachen.
Der Goldpreis hat ab Mitte November einen schönen Aufwärtstrend aufgenommen, zuerst begleitet von einem schwächeren USD. Mittlerweile steigt der Preis des gelben Metalls auch bei einem stärkeren Greenback, ein starkes Signal. Zudem spricht die Saisonalität für Gold, denn der Januar ist historisch betrachtet der beste Monat im Jahr. Allerdings sind die Net-Long Positionen am Futures-Markt bereits relativ hoch, weshalb wir für Zukäufe erst Rückschläge auf $1‘790 – $1‘800 abwarten würden. Beim Silber bleiben wir aufgrund des erwarteten Wirtschaftsabschwungs zurückhaltender.

 

Währungen

Wir gehen von einem stärkeren USD im 1. Quartal aus. Da die Benchmark Hypotheken in den USA in der Regel mit einer fixen Laufzeit von 30 Jahren abgeschlossen werden, führt ein steigendes Zinsniveau nicht unweigerlich zu Problemen beim privaten Konsum, bzw. weniger stark als in anderen Ländern. Dadurch könnte die Stärke des US-Konsumenten positiv überraschen und die US-Fed dazu bewegen, die Zinsen weiter zu erhöhen als andere Notenbanken. Dadurch dürfte die Zinsdifferenz weiter ansteigen und dem Greenback einen stabilen Support bieten.
Auch das Währungspaar EUR/CHF sehen wir nicht mehr ganz so negativ. Neben der angekündigten sehr straffen Geldpolitik der EZB spricht die Kaufkraftparität für einen höheren EUR-Kurs. Als Joker könnte sich eine Lösung in der europäischen Energiekrise entpuppen.
Das GBP ist nach kurzfristigen politischen Turbulenzen wieder in ruhigere Fahrwasser eingeschwenkt. Eine solide und konservative Fiskal- und Geldpolitik spricht tendenziell für höhere Notierungen. Zudem war der britische Aktienmarkt einer der Lichtblicke im Börsenjahr 2022, was zu gewissen Portfolioflüssen in Richtung GBP führen könnte.
Die erste Stufe der JPY-Rakete wurde im Dezember mit dem Umschwenken bezüglich der Zinskurvenkontrolle durch die Bank of Japan gezündet. Wir gehen von einer weiteren Erstarkung der japanischen Währung aus, unterstützt durch Kaufkraftparität und aufgrund erwarteter weiterer Schritte der japanischen Notenbank, die im März einen neuen Präsidenten erhalten wird.

 

Schlussfolgerung

Das Gebot der Stunde bleibt eine defensive Positionierung und ein disziplinierter Prozess. Erst bei einem Umschwenken der Geldpolitik der wichtigsten Notenbanken können wieder vermehrt Risikopositionen eingegangen werden. Bis dahin sollten Aktienmarktrallys gezielt für Verkäufe genutzt werden, damit bei Rückschlagen auch wieder zugekauft werden kann. Wir gehen davon aus, dass der Boden an den Aktienmärkten noch nicht gefunden ist. Ein Kreditereignis im ersten Halbjahr 2023 würde uns nicht überraschen. Wir achten darauf, nur in liquide Anlagen zu investieren und meiden illiquide und intransparente Strukturen. Ein Übergewicht der Cash-Position, eine erhöhte Allokation in erstklassige Staatsanleihen, in US-Dollars und auch in Gold erachten wir als sinnvoll.

“Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung – was tun Sie, Sir?”
John Maynard Keynes
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