Rück- und Ausblick

Quartalsausblick Q3 2022

Zwischen Wirtschaftsabschwung und Inflation.

Datum
25. April 2023
Kategorien

Rückblick

Anleihen

10-jährige US-Staatsanleihen verloren im bisherigen Jahresverlauf mehr als 13%, das schlechteste 1. Halbjahr seit 1788, kurz bevor George Washington zum Präsidenten gewählt und die US-Verfassung ratifiziert wurde. Die Rendite erreichte Mitte Juni mit 3.50% ihren Höchststand und sank zum Quartalsende auf 3.02%. Derzeit geht der Markt von 7 weiteren Zinserhöhungen von jeweils 0.25% durch die US-Notenbank Fed bis zum Jahresende aus. Aktuell steht der US-Leitzins bei 1.75%. Planmässige Fed-Sitzungen während dem 3. Quartal finden am 27. Juli und am 21. September 2022 statt.

Auch in der Eurozone stiegen die Zinsen. Die Rendite 10-jähriger Deutscher Bunds stieg von 0.55% anfangs des 2. Quartals bis Mitte Juni auf 1.82% und beendete das Quartal bei 1.37%. Allerdings stieg die Rendite 10-jähriger italienischer Staatsanleihen noch stärker, nämlich bis auf 4.27%, so dass der Renditeaufschlag zu deutschen Bundesanleihen Mitte Juni kurz auf über 250 Basispunkte hochschnellte. Dies veranlasste die EZB zu einer Sondersitzung, um dem Fragmentierungsrisiko entgegenzuwirken. In der Folge sank die Rendite italienischer Papiere zum Quartalsende auf 3.39%. Im Vereinigten Königreich stieg die Rendite 10-jähriger Gilts während des Quartals von 1.61% auf 2.24%.

Die Bank of Japan war im 2. Quartal im Rahmen ihrer Politik der Zinskurvenkontrolle weiterhin damit beschäftigt, die Rendite 10-jähriger JGBs unter die Marke von 0.25% zu drücken. Zum Quartalsende notierte diese bei 0.23% im Vergleich zu 0.21% im Vorquartal.

Die Renditen von Schweizer Staatsanleihen bewegten sich im Einklang mit dem Zinsverlauf in den USA und in der Eurozone: ein Anstieg bis Mitte Juni, gefolgt von einem Rückgang in der zweiten Monatshälfte. Die Rendite des 10-jährigen Eidgenoss‘ beendete das Quartal bei 1.03%, nach einem Zwischenhoch von 1.48% am 16. Juni, dem Tag, an dem die SNB den Leitzins überraschend von -0.75% auf -0.25% erhöhte. Die Rendite 2-jähriger Staatsanleihen lag zum Quartalsende mit 0.05% nur noch knapp im positiven Bereich.

Quelle: Bloomberg

 

Kredite

Unternehmensanleihen konnten sich dem steigenden Zinsniveau und den vermehrten Anzeichen eines Wirtschaftsabschwungs nicht entziehen. Hochzinsanleihen beidseits des Atlantiks verloren über 10% und beendeten das 2. Quartal nahe den Tiefstkursen. Zum Schluss resultierten ein Minus von 10.5% in den USA und ein Minus von 11.4% in Europa.
Die zunehmende Risikoaversion reflektierte sich auch in einem Anstieg der Kreditaufschläge für US-Hochzinsanleihen. Diese stiegen während dem 2. Quartal von 3.43% auf 5.87%.
Leicht besser erging es Investment-Grade (IG) Anleihen. Europäische IG Anleihen büssten 7.5% ein, US-IG Anleihen verloren 9.0%. Beide konnten sich gegen Quartalsende etwas von ihren Tiefstständen lösen, die sie Mitte Juni erreicht hatten.

Investment-Grade Anleihen sind die hochwertigsten Anleihen, die von einer Rating Agentur bestimmt werden; Hochzinsanleihen sind spekulativer und haben ein Kreditrating unter Investment-Grade. Die Preise von Hochzinsanleihen bewegen sich oft ähnlich wie die Aktienmärkte, während die Preise von IG-Anleihen stärker durch das generelle Zinsniveau beeinflusst werden.

Globale Wandelanleihen verloren im 2. Quartal knapp 10%.

Quelle: Bloomberg

 

Aktien

Die globalen Aktienmärkte setzten ihre Talfahrt im 2. Quartal fort. Der 47 Länder umfassende MSCI World Index erlitt mit einem Verlust von über 20% sein schlechtestes 1. Halbjahr seit dessen Kreierung im Jahr 1990. Im bisherigen Jahresverlauf wurde an den Aktienmärkten insgesamt USD 13 Billionen Marktkapitalisierung vernichtet.
In den USA war das Kursfeuerwerk zum Ende des 1. Quartals nur von kurzer Dauer. Mit Beginn des 2. Quartals setzte sich der Kursrückgang weiter fort und der S&P 500 Index beendete das Quartal mit einem Minus von 16.4%. Im bisherigen Jahresverlauf resultierte ein Verlust von 20.8%, der schlechteste Jahresauftakt seit 1970.
Ein ähnliches Bild zeigte sich in Europa, wenn auch leicht weniger schlecht. Der pan-europäische STOXX 600 Index gab im 2. Quartal um 10.7% nach, während der Swiss Leader Index (SLI) 14.5% verlor. Seit Jahresbeginn resultierte ein Minus von beinahe 16.7% für den STOXX 600 und von 20.5% für den SLI.
Der chinesische Shanghai Composite beendete das 2. Quartal gegen den globalen Trend mit einem Gewinn von 4.5%, nachdem der Index per Ende April noch mit über 10% unter Wasser lag. In Japan verlor der Nikkei 225 trotz schwachem Yen 5.1%.

In den USA performte der Energiesektor im 1. Halbjahr mit Abstand am besten, gefolgt von den Sektoren Versorger, Nicht-Zyklische Konsumgüter und Gesundheitswesen.
In Europa wurde die Gewinnerliste von folgenden Sub-Sektoren (in absteigender Reihenfolge) angeführt: Öl & Gas, Telekommunikation, Gesundheitswesen, Versicherungen, Basisrohstoffe, Versorger.

Im bisherigen Jahresverlauf erzielten die Aktienmärkte folgender Länder – in absteigender Reihenfolge – die beste Performance: Chile, Portugal, Indonesien, Saudi-Arabien und das Vereinigte Königreich (FTSE 100 Index).

Quelle: Bloomberg

 

Rohstoffe und Alternative Anlagen

Im 2. Quartal sind die Kursschwankungen im Erdölpreis im Vergleich zum 1. Quartal stark zurückgegangen. Gemessen an der Sorte Brent wurden die Höchstkurse mit etwas über $123 pro Fass in der ersten Juniwoche erzielt. Bis Ende Juni sank der Kurs auf $109. Zum Schluss resultierte fürs gesamte Quartal ein Preisanstieg von 1,0%.
Der Kupferpreis sackte um 21.9% ab und beendete das 2. Quartal auf dem Tiefst. Silber konnte sich dem Preisrückgang von Industriemetallen nicht entziehen und büsste im Quartalsverlauf ebenfalls fast 20% an Wert ein.
Leicht besser erging es dem Goldpreis mit einem Minus von 7.8%. Allerdings war auch hier ein stetiger Abgabedruck feststellbar, so dass der Goldpreis das Quartal auf den Tiefstkursen beendete.

Krypto-Währungen verloren massiv an Wert und beendeten das 2. Quartal nahe ihren Tiefstständen: Bitcoin (BTC/USD) -57%, Ether (ETH/USD) -71%.

Quelle: Bloomberg

 

Währungen

Der US-Dollar (DXY Index) legte in der ersten Jahreshälfte gegenüber einem Korb der wichtigsten Weltwährungen um über 9% zu, während er gegenüber dem japanischen Yen, der auf den schwächsten Stand seit 1998 sank, sogar um mehr als 15.5% anstieg.

In der untenstehenden Graphik deutlich sichtbar ist die überraschende Zinserhöhung von 0.50% durch die SNB am 16. Juni: an diesem Tag stieg der CHF gegenüber den wichtigsten Handelswährungen deutlich an.
Im Quartalsverlauf stieg der EUR/CHF Kurs zunächst um gut 2% bis auf 1.0480, nur um nach dem Zinsschritt der SNB die Kursavancen wieder rückgängig zu machen. Zum Quartalsende stand EUR/CHF bei 1.0010, ein Verlust von 2.0% seit anfangs April. Auch GBP/CHF stieg zunächst 2%, verlor dann allerdings gegen Quartalsende insgesamt 4.1%.
Der Greenback stieg gegenüber dem CHF zunächst um über 8% auf 1.0020, büsste dann in der zweiten Junihälfte einiges an Wert ein und beendete das Quartal bei 0.9550, immerhin noch ein Plus von 3.5% seit Ende März. Im ersten Halbjahr avancierte der USD/CHF Wechselkurs um 4.7%.
Die Schwäche des japanischen Yen setzte sich im 2. Quartal fort. Gegenüber dem CHF resultierte ein Quartalsverlust von 7.2%.

Besser als „King Dollar“ performten im 1. Halbjahr unter den frei handelbaren Währungen nur der brasilianische Real mit einem Plus von 6% und der mexikanische Peso mit +2%.

Quelle: Bloomberg

Ausblick

Ab Mitte Juni begann sich das Augenmerk der Marktteilnehmer zunehmend auf eine sich abschwächende Konjunktur zu richten, nachdem zuvor der Fokus auf den sehr hohen Inflationsraten gelegen hatte. Zu diesem Spannungsfeld zwischen Wirtschaftsabschwung und Inflation gesellten sich unterschiedliche Erwartungen über die zukünftige Geldpolitik der Notenbanken: werden in den nächsten Monaten Zinserhöhungen und eine straffere Geldpolitik weitergeführt, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen oder wird die Geldpolitik wieder gelockert werden, um eine Rezession zu verhindern oder zumindest abzufedern?
In den USA betrug das Wirtschaftswachstum im 1. Quartal 2022 annualisiert -1.6%. Die aktuelle Schätzung für das 2. Quartal liegt bei -2.1% (Abbildung unten). Falls dies so eintreffen wird, würde sich die US-Wirtschaft definitionsgemäss mit zwei negativen Quartalen in Folge bereits in einer Rezession befinden….

Quelle: forexlive.com

Wir gehen davon aus, dass sich Wachstum und Inflation im 3. Quartal abkühlen werden und gehen demzufolge von einem Disinflationsszenario aus (Abbildung oben). Allerdings wird die Inflation auf hartnäckig hohen Niveaus im Bereich von 6-7% verharren, so dass die US-Notenbank Fed nicht umhin kommen wird, die Leitzinsen im 3. Quartal vorerst weiter zu erhöhen.

 

Anleihen

Es ist gut möglich, dass wir die Höchstzinsen bei erstklassigen langfristigen Staatsanleihen bereits gesehen haben, da sich die Anzeichen eines konjunkturellen Abschwungs oder gar einer Rezession in den USA und in Europa mehren. Zudem scheinen die Notenbanken derzeit Inflationsbekämpfung gegenüber Wachstumsunterstützung zu priorisieren.
Eine andere Geschichte bleibt das Fragmentierungsrisiko in der Eurozone mit den Ländern Italien, Griechenland, Spanien und Portugal in der Empfängerrolle. Vorerst scheint hier eine weitere Euro-Krise abgewendet zu sein.

Aufgrund des erhöhten Rezessionsrisikos und der ansprechenden Renditen sind wir für erstklassige Staatsanleihen eher positiv eingestellt.

 

Kredit

Die Kreditmärkte rechnen zunehmend mit einer Rezession, insbesondere in Europa. So betrug das Volumen europäischer Unternehmensanleihen mit Kreditaufschlägen von über 10% per Ende Juni mehr als EUR 40 Milliarden, im Vergleich zu EUR 6 Milliarden per Ende 2021.
Auch in den USA ist die Nachfrage nach Hochzinsanleihen gefallen, die Kreditaufschläge sind weiter gestiegen und liegen derzeit bei 5.87% (Abbildung). Die Kreditratings dürften in den nächsten Monaten unter Druck geraten.

Auch wenn die Kreditaufschläge mittlerweile bereits ziemlich hoch sind, bevorzugen wir weiterhin Investment-Grade gegenüber Hochzinsanleihen.

 

Aktien

Aufgrund des erwarteten Disinflationsszenarios empfehlen wir eine eher defensive Positionierung bei Aktienanlagen. Nach einem Zwischenspurt, der noch bis zirka Mitte Juli anhalten könnte, werden Aktien nochmals einen Dämpfer erleiden. Einerseits werden die Notenbanken die Geldpolitik vorerst unbeirrt weiter straffen, andererseits dürften die Quartalsresultate der Unternehmen und insbesondere deren Gewinnausblicke weniger rosig ausfallen, als gemeinhin vom Markt erwartet wird.
Gegen Ende des 3. Quartals könnte sich die Lage aufhellen. Die Notenbanken dürften bis dann in der Lage sein, eine Pause einzulegen. Zudem unterlegt die untenstehende Tabelle die positive Performance des S&P 500 im 2. Halbjahr, nach den fünf schlechtesten 1. Halbjahren in der Geschichte (vor 2022). Sie zeigt, dass jedes Mal nach so hohen Verlusten im 1. Halbjahr eine Gegenbewegung im 2. Halbjahr einsetzte.

 

Rohstoffe

Viele Marktbeobachter vergleichen die aktuelle Situation mit der Stagflation der 1970er-Jahre. Die folgende Abbildung von JP Morgan zeigt die nominellen, jährlichen Renditen verschiedener Sektoren, Faktoren und Anlageklassen. Insbesondere die Sektoren Energie und Basisrohstoffe profitierten in dieser Zeit von den hohen Rohstoffpreisen.

Trotz einer sich abkühlenden Konjunktur gehen wir im 3. Quartal von steigenden Erdölpreisen aus. Einerseits fördert die OPEC bereits nahe am maximalen Output und andererseits dürfte die Konjunkturerholung in China an Fahrt aufnehmen. Zudem sind am Futures-Markt die Long-Positionen im historischen Vergleich stark gefallen.
Nach dem starken Rücksetzer im Kupferpreis im 2. Quartal rechnen wir für die nächsten drei Monate mit leicht steigenden Kursen. Die Stimmung ist mittlerweile sehr gedämpft mit sehr hohen Net Short-Positionen am Markt.
Absolut gesehen hat sich der Goldpreis – gemessen in USD – zwar in diesem Jahr nicht stark bewegt. Allerdings liegt er gegenüber den meisten anderen Anlageklassen zum Teil deutlich vorne. Wir gehen im 3. Quartal von steigenden Notierungen aus, schätzen zudem auch die Eigenschaften des gelben Metalls zur Portfoliodiversifikation. Der Silberpreis sollte ebenfalls zulegen können, die Kursentwicklung dürfte allerdings um einiges volatiler verlaufen.

 

Währungen

Nach dem überraschenden Zinsschritt der SNB rechnen viele Marktteilnehmer mit einem stärkeren CHF, da auch die SNB ihren Entscheid damit begründete, dass ein stärkerer Franken bei der Inflationsbekämpfung behilflich sein würde.
Ohne künftige Interventionen der SNB steht einem nachhaltigen Unterschreiten der Parität von EUR/CHF 1.00 im 3. Quartal nichts im Wege. Neben einem stärkeren CHF dürfte auch der USD zur Stärke neigen, insbesondere solange die EZB nur rhetorisch agiert und sich eher mit „Feuerlöschaktionen“ begnügt.
Die Bank of England dürfte ihren Zinserhöhungszyklus in den nächsten Monaten drosseln, so dass das britische Pfund zunehmend unter Druck kommen wird.
Solange die Bank of Japan ihre Politik der Zinskurvenkontrolle beibehält, wird die japanische Währung schwach bleiben. Allerdings befindet sich der Yen mittlerweile auf dem schwächsten Niveau zum USD seit 1998 und der Markt hat sich bereits stark negativ zum Yen positioniert.

Schlussfolgerung

Eine vorerst defensive Positionierung scheint angebracht zu sein. Wir gehen im Verlauf des 3. Quartals von zwischenzeitlich tieferen Aktienkursen aus, bevor sich das Bild gegen Quartalsende aufhellen sollte. Geduld ist das Gebot der Stunde. Erstklassige Staatsanleihen dürften ihre Renditehöchststände resp. ihre Tiefstkurse im 2022 gesehen haben. Franken und Dollar werden zur Stärke neigen. Weiterhin befürworten wir eine echte, strukturelle Portfoliodiversifikation. Dabei achten wir darauf, nur in liquide Anlagen zu investieren und meiden illiquide alternative Anlagen.

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