Monatsbericht Mai 2023

Das Schicksal der Märkte: Wie Notenbanken den Ausgang des Kampfes zwischen Konjunktur und Inflation beeinflussen werden

Datum
02. Mai 2023
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Die Konjunktur hat sich spürbar abgekühlt und das Wachstum wird sich in den kommenden Monaten voraussichtlich weiter abschwächen. Traditionell sind die Daten vom Arbeitsmarkt eher nachgelagert, erste Warnsignale kommen oft vom Häusermarkt, gefolgt von Neuaufträgen und Unternehmensgewinnen.

Quelle: India Equity Research via Twitter

„Wenn wir untergehen, warum befinden wir uns dann 60 Meter in der Luft?“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Höhere Arbeitslosenquoten werden deshalb erst sichtbar, wenn es mit der Konjunktur bereits stark abwärts geht. Dennoch sind sie in der politischen Wahrnehmung von zentraler Bedeutung.

Die Inflationsraten, insbesondere die Kerninflation ohne Nahrungsmittel und Energie, verbleiben auf hartnäckig hohen Niveaus weit über der angestrebten Zielrate von 2%. In den letzten Monaten hat sich auch das Phänomen der „Greedflation“ bemerkbar gemacht, bei dem gierige Unternehmen vor dem Hintergrund der Inflationsrhetorik ihre Preise weit stärker erhöhen als ihre Inputkosten angestiegen sind. Dies ist wohl auch eine direkte Folge der Deglobalisierung.

Obwohl die bisherigen Zinserhöhungen der Notenbanken ihre ersten Opfer gefordert haben – neben der Credit Suisse waren es drei mittelgroße Regionalbanken in den USA –, werden aufgrund hoher Inflationsraten und niedriger Arbeitslosenquoten die Leitzinsen durch die Notenbanken weiter erhöht und die Geldpolitik weiter gestrafft werden. Währungshüter agieren nicht in einem politischen Vakuum, sie müssen ihre Zins- und Geldpolitik dem Publikum und der Politik regelmäßig erklären und ihre Entscheidungen rational begründen.

 

„Etwas muss zwangsläufig nachgeben“

Die Anleihe- und Aktienmärkte hingegen zeichnen ein anderes Szenario. Am Anleihemarkt ist die stark inverse Zinskurve ein wichtiger Indikator für eine mögliche Rezession in der Zukunft. Eine inverse Zinskurve tritt auf, wenn die kurzfristigen Zinsen höher sind als die langfristigen. Dies deutet darauf hin, dass die Anleger eine schwächere Wirtschaftsentwicklung in der Zukunft erwarten. Eine Rezession zieht normalerweise Zinssenkungen und eine lockere Geldpolitik der Notenbanken nach sich. In der Regel sinken dabei auch die Unternehmensgewinne und die Aktienkurse.

Die Aktienindizes spiegeln jedoch eine andere Sichtweise wider. Die Bewertungen sind nicht billig, die Kurse hoch. Eine Rezession mit sinkenden Gewinnen ist weit und breit nicht eingepreist, dafür aber wohl einige Zinssenkungen durch die Notenbanken.

Diese widersprüchlichen Signale veranlassen uns zur Feststellung, dass derzeit entweder die Notenbanken falsch liegen oder der Anleihe- oder Aktienmarkt falsch bewertet ist.

 

„Sell in May and go away?”

„Verkaufen Sie im Mai und gehen Sie weg“ ist eine bekannte Börsenweisheit, die besagt, dass Anleger im Mai ihre Aktien verkaufen und ihr Geld in andere Anlageformen wie Anleihen oder Bargeld investieren sollten, bis November. Die Idee dahinter ist, dass der Aktienmarkt in den Sommermonaten tendenziell schlechter abschneidet, da viele Händler und Investoren in den Urlaub fahren und das Handelsvolumen abnimmt.

Die „Sell in May and go away“-Strategie hat in der Vergangenheit unterschiedlich gut funktioniert, je nachdem welchen Markt man betrachtet.

In der Schweiz hat sich diese Strategie in einigen Jahren als erfolgreich erwiesen, während sie in anderen Jahren nicht funktioniert hat. Eine Analyse des Swiss Leader Index (SLI) zeigt, dass in den letzten zehn Jahren der Verkauf im Mai und Rückkauf im November im Durchschnitt zu einer leicht schlechteren Performance führte als das Halten des SLI während des gesamten Jahres.

Ähnliche Ergebnisse wurden für den europäischen Markt (Stoxx 600) gefunden. Eine Studie von Schroders zeigte, dass die „Sell in May“-Strategie in den letzten 20 Jahren nur in 11 der 20 Fälle besser abschnitt als eine Buy-and-Hold-Strategie.

In den USA hat sich die Strategie in der Vergangenheit jedoch besser bewährt. Eine Analyse des S&P 500 zeigte, dass der Verkauf im Mai und Rückkauf im November in den letzten 50 Jahren eine durchschnittliche jährliche Rendite von 7.5% erzielt hat, während die Buy-and-Hold-Strategie eine durchschnittliche Rendite von 6.7% pro Jahr erzielte.

 

„Regel Nummer 1: Verliere niemals Geld. Regel Nummer 2: Vergiss niemals Regel Nummer 1.“

Diese Worte der Börsenlegende Warren Buffett sollten Investoren in Anbetracht der aktuellen Börsenlage besonders ernst nehmen. Einer der erfolgreichsten Investoren aller Zeiten, Stanley Druckenmiller, brachte dies kürzlich in Analogie zum Baseballspiel auf den Punkt: „Ich denke, der Weg, um eine langfristige Erfolgsbilanz aufzubauen, besteht darin, wirklich groß zu schwingen, wenn man den Ball sieht. Und wenn man den Ball nicht sieht, nicht zu schwingen.“ Das bedeutet, dass Anleger in guten Zeiten mutig sein sollten, aber auch Geduld und Risikominimierung in schlechten Zeiten praktizieren müssen.

Derzeit empfehlen wir Geduld und Risikominimierung. Anleger sollten in den kommenden Monaten auf eine erhöhte Volatilität vorbereitet sein und ihre Portfolios deshalb nicht nur geographisch, sondern auch strukturell klug diversifizieren.

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