Monatsbericht Mai 2024
Hartnäckig hohe Inflationsraten und Erwartungen auf mögliche Zinsschritte
Bei den hartnäckig hohen Inflationsraten – insbesondere in den USA – und dem gebannten Starren der Investorenschar auf eventuelle Zinsschritte der US Federal Reserve im weiteren Jahresverlauf geht einem unweigerlich das Bonmot – „wenn du nur einen Hammer hast, siehst du jedes Problem als Nagel an“ – durch den Kopf.
Dabei sollte uns die Dekade nach der Grossen Finanzkrise von 2007/08 immer noch in bester Erinnerung sein, in der weder Null- noch Negativzinsen in der Lage waren, eine höhere Inflationsrate herbeiführen zu können. Zu stark waren deflationäre Kräfte am Werk.
Im gleichen Masse sind höhere Leitzinsen alleine auch nicht in der Lage, die erhöhten Inflationsraten unmittelbar nach unten zu drücken. Die Zinspolitik der Zentralbanken ist nur eine von vielen Stellschrauben zur Veränderung des allgemeinen Preisniveaus einer Volkswirtschaft. In medienwirksamen Präsentation wird oft von den 4D’s gesprochen, die je nach dem für zu hohe oder zu tiefe Inflationsraten verantwortlich gemacht werden:
1. Deglobalisierung, 2. Demographie, 3. Dekarbonisierung, 4. Debt (Schulden)
Das weitherum angestrebte Ziel einer Inflation von 2% pro Jahr – in den USA übrigens erst seit 2012 so ausdrücklich deklariert – wird dabei wenig hinterfragt und gilt mittlerweile fast als sakrosankt. In Tat und Wahrheit geht es bei der Festlegung der Zinspolitik einer Notenbank darum, das Vertrauen der Bevölkerung und der Investoren in die eigene Währung als Wertaufbewahrungsmittel gegenüber realen Anlagen zu gewinnen respektive aufrecht zu erhalten. Anders ausgedrückt, auch in der Zinspolitik gilt: „Wahrnehmung ist wichtiger als Realität.“
Das Marktgeschehen im bisherigen Jahresverlauf
Nach fünf positiven Monaten in Folge, kamen die Aktienmärkte im April ins Stocken. In den USA verlor der Leitindex S&P 500 im April 4.2%, legte im bisherigen Jahresverlauf aber immer noch um 7.5% zu. Auch der technologielastige Nasdaq Composite musste im April Terrain preisgeben, lag aber um 7.6% über dem Stand von Anfang Januar. Der MSCI World stieg im bisherigen Jahresverlauf um 6.1%.
In Europa avancierte der Euro Stoxx 50 um 8.8%, während der eher etwas defensiv aufgestellte Swiss Market Index im 2024 bisher lediglich um 1.2% zulegen konnte.
Gegen den negativen globalen Aktien-Trend stemmten sich im April insbesondere China und Hong Kong. Im bisherigen Jahresverlauf stiegen der Shanghai Composite 4.4% und der Hang Seng 8.4%. Noch besser performte im Jahr 2024 bisher der Nikkei 225 in Japan mit einem Anstieg von 14.3%.
Die Preise der meisten 10-jährigen Staatsanleihen sanken im bisherigen Jahresverlauf, das bedeutet, die langfristigen Zinsen stiegen an. Die Zinsen der 10-jährigen US Treasury Benchmark Anleihen beispielsweise stiegen von 3.87% auf 4.51%, diejenigen der 10-jährigen deutschen Bundesanleihen von 2.03% auf 2.49%. In Italien war der Anstieg nur moderat, von 3.71% auf 3.80%, so dass sich der viel beachtete Spread zu deutschen Anleihen stark verkleinerte. Sogar in der Schweiz, wo die SNB mit einem ersten Zinsschritt den Zinssenkungszyklus einleitete, sanken die Zinsen nicht etwa, sondern verharrten – gemessen am 10-jährigen Eidgenoss – bei 0.70%.
In Japan stiegen die Zinsen 10-jähriger Staatsanleihen von 0.62% auf 0.90%. Einzig in China, wo eine ausgemachte Immobilienkrise gewütet und sich die Konjunktur spürbar eingetrübt hat, sanken die Zinsen 10-jähriger Staatsanleihen von 2.58% auf 2.31%.
Starke Preisbewegungen gab es an den Rohstoffmärkten. Gold und Silber stiegen seit Jahresbeginn um 11.5%, Brent-Erdöl um 7.5% und der Kupferpreis legte um 17.4% zu. Der Kakao-Preis verzeichnete jedoch mit einem Plus von über 90% mit Abstand den grössten Kurssprung im bisherigen Jahresverlauf. Auf der anderen Seite konnte Erdgas den Verlust in den letzten Wochen zwar etwas eingrenzen, stand aber mit einem Minus von 14.5% unter den Rohstoffen immer noch abgeschlagen am Tabellenende.
Die dominierenden Themen am Währungsmarkt waren die Stärke des US-Dollars und die ausgeprägte Schwäche des japanischen Yen. Im bisherigen Jahresverlauf stieg der Greenback gegen den JPY um 8.5%, gegen den CHF um 7.6% und gegen den EUR um 2.5%. Auch die drei bedeutenden Rohstoffwährungen Loonie, Aussie und Kiwi mussten gegen King Dollar seit Jahresbeginn allesamt Federn lassen: USD/CAD +3.3%, AUD/USD -2.9%, NZD/USD -4.9%.
Der Ausblick für Risikoanlagen hat sich leicht eingetrübt
Bis zu den Sommermonaten sehen wir bei Aktien keine grossen Avancen, insbesondere in den USA. Einerseits drehte sich die Positionierung im US-Leitindex S&P 500 an den Futures-Märkten von einer stark negativen Netto-Position im Verlauf des Monats April in eine positive. Dies ist meist ein sehr guter Kontra-Indikator. Andererseits zeigte die US-Geschichte seit 1949, dass in einem Wahljahr mit einem positiven ersten Quartal die Monate April und Mai im Schnitt negativ waren, bevor in den letzten 7 Monaten des Jahres wieder ein positiver Trend einsetzte.
Momentan sind die Marktreaktionen auf Inflations- und Konjunkturdaten relativ einfach durchschaubar und gewissermassen auch rational nachvollziehbar: tiefere Inflations- und schlechtere Konjunkturdaten führen dazu, dass Aktien und Anleihen steigen (Zinsen sinken), da dies den Weg für baldige Leitzinssenkungen ebnen dürfte, so die Argumentation. Demgegenüber werden höhere Inflations- und bessere Konjunkturdaten als negativ angesehen, da Hoffnungen auf Leitzinssenkungen weiter in die Zukunft verschoben werden. Man bekommt fast den Eindruck, dass über jeder Marktbewegung das Damoklesschwert der Leitzinserwartungen schwebt und seine hypnotisierende Wirkung auf die Marktteilnehmer entfaltet. Irgendwann dürfte jedoch wieder das reale Wirtschaftsgeschehen das Zepter übernehmen. Spannend dürfte es dann werden, wenn die Marktreaktionen vom oben erwähnten Skript abweichen.
Bei Aktienanlagen bleiben wir neutral positioniert. Als Absicherung gegen geopolitische Turbulenzen, einer zu straffen Zinspolitik und gegen einen Konjunkturabschwung halten wir an einer strategischen Positionierung in Gold, sowie in langfristigen Staatsanleihen fest.
Wir gehen davon aus, dass die Inflation in Europa stärker rückläufig sein wird als in den USA. Deshalb dürfte die EZB die Leitzinsen bereits an ihrem kommenden Meeting vom 6. Juni senken, während die ersten Zinssenkungen durch die US-Notenbank Fed wohl erst im September oder sogar erst im November oder Dezember erfolgen dürften.