Monatsbericht Dezember 2023
Trotz widriger Vorhersagen überraschende Wendungen und moderate Aufschwünge am Horizont?
Zurück in die Zukunft
Einmal mehr ist die Zeit des Jahres gekommen, in der Anlagestrategen und Ökonomen in die Kristallkugel schauen und ihre Prognosen fürs kommende Jahr veröffentlichen. Dabei ist eine erstaunliche Ähnlichkeit mit ihrem Ausblick von vor einem Jahr feststellbar, als viele Marktteilnehmer eine Rezession, ein schwieriges Aktienumfeld und das Ende des Anleihe-Bärenmarkts vorhersagten. Die Realität gestaltete sich jedoch vollkommen anders. Trotzdem gehen die meisten Experten fürs Jahr 2024 wieder mit einem fast identischen Ausblick an den Start: Rezession oder zumindest Wachstumsverlangsamung im ersten Halbjahr, dadurch sinkende Inflationsraten, die es der US Federal Reserve und weiteren Notenbanken ermöglichen, die Leitzinsen zu senken. Aufgrund dieses Szenarios und geläutert durch ihre Fehlprognosen von vor einem Jahr sehen die meisten Anlageexperten zum Jahresende 2024 trotz Rezessionsprognose moderat höhere Aktiennotierungen und ein Ende des Bärenmarkts bei Staatsanleihen bzw. ein niedrigeres Zinsumfeld.
Der November 2023 sollte bei Aktienbullen in guter Erinnerung bleiben. Der MSCI All-Country World Index stieg im Laufe des Monats um 9% und markierte damit den besten Monat für den globalen Aktienindex seit November 2020, als die Nachricht von einem Durchbruch in der Entwicklung eines COVID-19-Impfstoffs die Aktienkurse in die Höhe schnellen ließ. In den USA verzeichneten der S&P 500 und der technologielastige Nasdaq Composite ihren besten Monat seit Juli 2022 und legten um 8.9% bzw. um 10.7% zu. In Europa avancierte der paneuropäische STOXX 600 um 6.4%, während der Swiss Leader Index um 5.5% zulegen konnte. In Asien verzeichnete der japanische Nikkei 225 einen Anstieg um 8.5%, während der Shanghai Composite mit knappen 0.4% Mühe hatte, sich zu behaupten.
Diese Kursgewinne gingen mit zunehmenden Wetten einher, dass die Zinssätze in den USA und in der Eurozone ihren Höhepunkt erreicht hatten und in der ersten Hälfte des nächsten Jahres gesenkt werden sollen.
Auch Anleiheinvestoren konnten sich über positive Entwicklungen freuen. Die jüngste Rally drückte die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen nach unten, von einem 16-Jahreshoch von 5.02% vor einem Monat auf ein Tief von 4.25% gegen Ende November. Dieser Wert lag damit unter den Niveaus vom 20. September, als die Fed zuletzt ihre vierteljährlichen Wirtschaftsprognosen veröffentlichte. Diese enthielten eine „höher für länger“-Botschaft, die die Renditen danach in Richtung ihres Höchststands trieb.
In Deutschland fielen die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen von einem Höchst von 3.02% im Oktober auf 2.39% Ende November. Noch deutlicher war der Rückgang bei 10-jährigen italienischen Staatsanleihen von 5.03% auf 4.14%, wodurch der Renditeunterschied zwischen Italien und Deutschland schrumpfte. In der Schweiz sanken die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen von 1.23% auf 0.82%.
Ein klassisches 60/40-Portfolio – bestehend aus 60% Aktien und 40% Anleihen – hätte im November eine Rendite von 9.6% erzielt, die höchste seit Dezember 1991, als die UdSSR aufgelöst wurde.
Trotz dieser beeindruckenden Performance bleibt die tatsächliche Positionierung am Futures-Markt verhalten, entgegen gewisser Sentiment-Umfragen. Die spekulativen Nettopositionen im S&P 500 Futures-Kontrakt der Commodity Futures Trading Commission (CFTC) sind weiterhin negativ. Die CFTC veröffentlicht wöchentlich den „Commitments of Traders“-Bericht. Dieser enthält Daten zu den spekulativen Nettopositionen von Händlern in verschiedenen Futures-Märkten, einschließlich des S&P 500. Die Nettopositionen repräsentieren die Differenz zwischen den gesamten Long- (Kauf-) und Short- (Verkauf-) Positionen, die von Spekulanten gehalten werden. Ist die Nettoposition positiv, bedeutet dies, dass es mehr Long-Positionen als Short-Positionen gibt, was auf eine bullische Stimmung hindeutet. Im Gegensatz dazu weist eine negative Nettoposition auf eine bärische Stimmung hin.
Da der Fokus weiterhin auf den Aussichten der wichtigsten Notenbanken und dem Zeitpunkt möglicher Zinssenkungen liegt, dreht sich derzeit alles um die Preisgestaltung der Anleiherenditen. Die 10-jährigen US-Staatsanleiherenditen verzeichneten im November den größten monatlichen Rückgang seit August 2011. Dies ist derzeit wohl eine der wichtigsten Entwicklungen im Hinblick auf die allgemeine Marktstimmung, und es bleibt abzuwarten, ob sich der Renditeverfall fortsetzen wird. Dies würde sich wiederum auf den Dollar und die Aktienkurse auswirken. Die Märkte haben bereits Zinssenkungen der Fed um insgesamt 115 Basispunkte und der EZB um 114 Basispunkte für das Gesamtjahr 2024 eingepreist. Die erste Zinssenkung der Fed wird für Mai, die der EZB für April erwartet.
Wir gehen davon aus, dass es im Jahr 2024 nicht zu einer globalen Rezession kommen wird, allenfalls zu einer kleinen Wachstumsdelle. Trotzdem dürften die Inflationsraten weiter sinken und sich der Zielmarke von 2% annähern. Dafür sollte die höhere Arbeitsproduktivität in den letzten Quartalen sorgen, die sich noch einige Quartale fortsetzen dürfte. Diese höheren Produktivitätsraten werden durch den Trend zum Reshoring mit kürzeren und stabileren Lieferketten, sowie durch Investitionen in Infrastruktur und in Künstliche Intelligenz begünstigt.
Vor diesem Hintergrund erscheint eine Übergewichtung von Aktienanlagen sinnvoll. Für risikofreudigere Investoren könnten lateinamerikanische Aktien attraktiv sein, hauptsächlich aus vier Gründen:
- Im Szenario weiter steigender Spannungen zwischen China und den USA und der Verkürzung der Lieferketten sollte Lateinamerika einer der Profiteure des Reshoring- resp. Nearshoring-Prozesses sein.
- Zweitens sind lateinamerikanische Aktien vernünftig bewertet.
- Außerdem sollte Lateinamerika von einem langfristigen Rohstoffzyklus profitieren, insbesondere im Agrarsektor.
- Schließlich scheint das Markt-Momentum für lateinamerikanische Märkte zu sprechen. Im Jahr 2023 hat der mexikanische Aktienmarkt bisher um 28% zugelegt, der IBOVESPA-Index Brasiliens um 22%, und Argentinien liegt mit 49% im Plus (alle Angaben in US-Dollar).
Zusätzlich könnte eine ausgewogene Allokation in langfristige Staatsanleihen und in Goldanlagen als sinnvolle Strategie dienen, um von einem prognostizierten sinkenden Zinsumfeld zu profitieren und gleichzeitig mögliche Risiken im Zusammenhang mit Rezessionen und geopolitischen Spannungen zu mindern.